»Im Tresorraum redete ich das erste Mal mit ihm, ich hatte soeben meine Lehre bei der Bank begonnen. Claude war nett. Und unauffällig. Durch die gemeinsamen Mittagessen freundeten wir uns an, aber das Verlieben begann erst zwei Jahre später, als er eine Wette verlor und mich ins Kino einladen musste. Es lief ›This is it‹ über Michael Jackson, der Saal war fast leer, und zögernd landeten unsere Hände auf den Beinen des anderen. Als wären wir selbst in einem Film.
Nach einem rosaroten Jahr begannen die ersten Krisen. Wir ahnten, dass wir es allein nicht schaffen würden. Ich hatte mich bereits vor einer Weile trennen wollen, doch es schien mir unlogisch. Claude hatte Humor, war respektvoll und loyal, hatte ähnliche Zukunftspläne … mir fiel nichts ein, was er hätte besser machen können. Katholisch aufgewachsen, war ich anfangs skeptisch, als wir beschlossen, zu einer Reiki-Sitzung zu fahren. Es war das erste Mal und sollte uns vielmehr bestätigen, dass es in Ordnung ist, wenn wir getrennte Wege gehen. Doch dann sah ich unerwartet vor mir, wie ich mit Claude auf unserer Hochzeit tanze. Der Glaube daran, dass wir eine gemeinsame Aufgabe haben, war plötzlich wieder da.«
»Andere halten uns den Spiegel vor. Eines Abends, als unsere Kinder noch kleiner waren, war Meli nicht da, und ich musste die beiden allein zu Bett bringen. Die Jüngere auf dem Arm, wollte ich die Ältere animieren, mitzukommen. Doch munter spielte sie weiter, drehte auf, brachte die Jüngere zum Weinen. Irgendwann verlor ich die Geduld und wurde wütend. Bis ich mich auf den Schaukelstuhl setzte und mich zwang, zur Ruhe zu kommen. Sollte es doch so lange dauern, wie es wollte. Nur wenige Minuten später waren die Kinder im Bett.
Wenn ich auf der Strasse auf einmal ungewöhnlich viele Ampeln auf Grün sehe, sagt meine Beobachtung vielleicht mehr über mich aus als über die Beobachtung selbst. Meli und ich hatten intensive Jahre mit Streitereien und Diskussionen. Ich versuchte jeweils, den Blick zuerst auf mich zu richten. Und Meli auf sich. Auf diese Weise kommen wir uns Jahr für Jahr näher, auch wenn wir jeweils denken, unsere Liebe könne nicht noch stärker werden.«