April 2020, Aarau (Schweiz)

»Hana, warum fotografierst du deinen Vater jedes Mal, wenn du ihn besuchst?«

Im Jahr 2019 besuchte ich eine Frau, deren Art, Menschen zu fotografieren, mich faszinierte. Ihre Begeisterung wollte ich bildlich festhalten und war erfreut, dass Hana meinem Vorhaben zustimmte, denn sie steht nur ungern vor der Kamera. Lange lag das resultierende Foto einsam auf meiner Festplatte. Bis mir eines Tages die Idee kam, zu den Portraitbildern, die ich so gerne schoss, kurze Geschichten zu schreiben.
Es waren die Anfänge von The 7 Memories.

Somit liess sich Hana abermals auf ein Experiment ein und war bereit, mit mir zu telefonieren.
»Vor ein paar Jahren fühlte ich mich sehr schlecht. Die Fotografie hat mich gerettet«, sagte sie.
Die Ecke ihrer Wohnung, welche auf dem Bild ersichtlich ist … sie geniesst es, dort stundenlang zu sitzen, dem Regen zuzuschauen, wie er Reflexionen vorbeigehender Menschen auf die Strasse zeichnet.
»Ein Grossteil meiner Familie lebt in Tschechien. Ich besuche sie etwa vier Mal im Jahr. Aber nun sind die Grenzen geschlossen, und ich bin mir nicht sicher, ob sie dieses Jahr bereits wieder geöffnet werden. Mein Vater ist 92 Jahre alt. Ich telefoniere regelmässig mit seiner Frau, er selbst erkennt meine Stimme nicht mehr. Aber er ist immer glücklich, wenn er erfährt, dass ich am anderen Ende bin.
›Wo bist du?‹, fragt er mich. ›In der Schweiz‹, antworte ich.«

Zu diesem Zeitpunkt dauerte der Lockdown in der Schweiz seit drei Wochen an, die Massnahmen waren allerdings weniger strikt als in anderen Ländern.
»Ich freue mich auf den Moment, wenn wir zur Normalität zurückkehren können. Wie wird es sich anfühlen, wenn wir uns wieder nahe sein dürfen? Wenn ich meinen Vater besuche, will er mir nahe sein … dass ich neben ihm liege.
›Wo lebst du?‹, fragt er mich jeweils. ›In der Schweiz‹, antworte ich. Fünf Minuten später stellt er mir die gleiche Frage.

›Werden wir heute keine Fotos machen?‹, fragte er mich einmal, denn ich fotografiere ihn jedes Mal, wenn wir uns sehen. Er geniesst es sehr, in diesen Momenten ist er wie früher … ich weiss nicht genau, wie ich es beschreiben soll. Und immer dann, wenn ich die Heimreise antrete, verabschiede ich mich von ihm, als wäre es das letzte Mal. Auf diese Weise habe ich keine Angst. Wenn ich eine Kamera in der Hand halte, spüre ich keine Angst. Die Fotografie ist für mich eine Art zu fühlen und zu berühren.«

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Unten siehst du ein paar meiner Lieblingsbilder von Hana. Das erste Bild zeigt ihren Vater.

Hanas weitere Arbeiten findest du auf Instagram.

 



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